Braucht man
einen Meister?
Die Antwort hängt davon ab, was man anstrebt. Wenn man etwa nur meditiert, um ein bisschen Entspannung, Freude und Kreativität zu erhalten, wäre es reine Zeitverschwendung für einen Meister, sich mit einem solchen Schüler abzugeben. Hier findet man wohl das Auslangen mit einschlägigen Büchern, besser aber noch mit einer kleinen Meditationsgruppe, die von jemandem angeleitet wird, der schon länger meditiert. In der Gruppe macht es mehr Spaß, herrscht eine höhere Energie und man wird leichter mitgerissen, wenn man einmal eine „Meditationsflaute“ erlebt.
Will man hingegen im spirituellen Leben zur wahren Selbsterkenntnis, zur Erleuchtung bzw. zur Gottverwirklichung gelangen, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Ein Meister ist zwar nicht unabkömmlich, schließlich hat die erste Person, die Gott verwirklicht hat, dies auch ohne äußeren Meister getan; sie wurde nur von der eigenen Seele bzw. Gott angeleitet. Dennoch darf man bei einem solch langwierigen und auch nicht einfachen Unterfangen wie dem Erlangen der Erleuchtung die Hilfe eines Meisters keinesfalls unterschätzen! Wenn man in der Geschwindigkeit eines Ochsenkarrens an das Ziel gelangen will, kann man es ja alleine einmal versuchen. Es ist dann, wie wenn man alleine den Ozean mit einem Floß überqueren oder schwimmend auf die andere Seite kommen wollte (den Ozean der Unwissenheit, in der wir uns derzeit befinden). Wer den Wert der Zeit schätzt, wird sich lieber in der Geschwindigkeit eines Flugzeugs oder, um die andere Analogie zu verwenden, mit der Geschwindigkeit eines großen, schnellen Passagierbootes fortbewegen, das von einem Piloten bzw. Kapitän gesteuert wird, der das Ziel kennt. Keine Frage, es gab sehr große Seelen, die ohne Hilfe eines Meisters zur Erleuchtung kamen, aber selbst Genies wie Beethoven und Mozart erhielten viele Jahre Klavierunterricht. Man braucht für fast alles im Leben einen Lehrer und die integrale Selbsterkenntnis bzw. Erleuchtung ist ein sehr schwieriges Fach! Natürlich kann man zum Beispiel beginnen, alleine eine Sprache zu lernen, aber das Resultat wird ganz anders sein, wenn man fachkundige Unterstützung erhält.
Apropos fachkundiger Lehrer: Für die Gottverwirklichung benötigt man nicht irgendeinen „Meister“, sondern einen authentischen, also einen völlig verwirklichten Meister: Also eine Person, die das Einssein mit seiner Seele bzw. dem Höchsten/der Quelle erreicht hat; und diese gibt es nicht wie Sand am Meer. Ich vermeide hier absichtlich das Wort Gott, aber letztlich gibt es zwischen dem „Selbst“ (Atma) der Hindus, dem „inneren Licht“ der Buddhisten oder anderer Gruppierungen, die überhaupt nur von „Wahrheit“ sprechen keinen Unterschied: Es sind verschiedene Wort für die gleiche letzte Wirklichkeit, die auch Gott genannt wird.
Ein authentischer Meister verfügt über die Meisterschaft über sein Bewusstsein und über sein integrales Wesens, also über alle Ebenen seines Bewusstseins: Er kann jederzeit in das Gottesbewusstsein eintauchen, sein Bewusstsein und das kosmische Bewusstsein sind eins geworden und er hat all die menschlichen Schwächen und Unreinheiten weit hinter sich gelassen und ist unendlich weit über den Verstand hinausgegangen. Daher kann er auch seinen Jüngern die wirklich wichtigen Dinge nicht mit Worten, also mit dem Verstand, lehren, sondern nur mit seinem inneren Wesen und über die „Sprache der Seele“. Er verbreitet unglaublichen Frieden, eine innere Freude, eine starke Kraft und seine Augen leuchten in einem ungewöhnlichen Licht. Hält man seine Augen geschlossen, sieht man zwar nichts, aber dennoch wird man in der Gegenwart eines Meisters eine Seligkeit und einen Frieden spüren, den man sonst gar nicht kennt.
Echte Meister führen ein völlig reines, heiliges Leben.
Für einen gewöhnlichen Menschen ist es, das muss hier schon auch erwähnt werden, völlig unmöglich, einen echten Meister ganz zu verstehen oder zu erkennen. Das Unendliche, Ewige und Unsterbliche im Meister, das diesen ausmacht und das dieser innerlich verwirklicht hat, lassen sich eben nicht von einem endlichen, vergänglichen und sterblichen Wesen genau einschätzen. Aber wenn man schon einige Zeit lang meditiert, wird man ein Gefühl erhalten. Eine Operationsschwester etwa kann niemanden operieren, aber sie weiß schon ungefähr, von wem sie sich gerne operieren lassen würde, und von wem gar nicht.
Echte Meister sind Menschen wie du und ich, nur haben sie aufgrund langjähriger spiritueller Disziplin den Schleier der Unwissenheit, der ihren Blick ursprünglich trübte, weggerissen und sehen nun die Wirklichkeit, wie sie tatsächlich ist. Natürlich verfügen Meister auch über allerlei okkulte, also übernatürliche Kräfte. Aber aus inneren Gründen setzen sie diese in der Regel nur unbeobachtet ein, um das Bewusstsein der Schüler zu heben oder sie vor einem größeren Unglück zu bewahren. Die höchsten Meister haben immer betont, dass ihre größten Wunder ihre Schüler sind: Man müsse nur vergleichen, wer diese waren, als sie kamen und was nun aus ihnen geworden ist!
Ein echter Meister steht Geld völlig losgelöst gegenüber und wird daher niemals für seine Unterweisungen Geld verlangen oder sagen, wenn man gewisse Beträge gezahlt hat, bekommt man von ihm innerlich etwas Bestimmtes – das ist absurd! Ein Guru ist in allem, was er tut, bedingungslos. Und ein echter Guru zeichnet sich dadurch aus, dass er alle Menschen auf göttliche Weise liebt, und nicht nur bestimmte. Wenn jemand im Auftrag eines Meisters einweiht, was absurd ist, oder wenn jemand höhere Erfahrungen im Rahmen in einer absehbaren, umschriebenen Zeitspanne verspricht, ist große Vorsicht geboten! Ein Meister wird auch nie Wasser predigen und Wein trinken; er wird immer so leben, wie er es seinen Schülern empfiehlt zu leben; selbst wenn dies für ihn gar nicht mehr notwendig wäre.
Es heißt, man erkennt einen Meister „auch an seinen Früchten“. Sicherlich, man kann sich die Jünger eines Meisters ansehen: Was für ein Leben führen sie, was für eine Ausstrahlung haben sie, fühle ich mich wohl und glücklich in ihrer Gegenwart? Natürlich haben auch die höchsten Meister mitunter ein paar schwarze Schafe, so wie etwa Jesus einen Judas hatte. Bekanntlich versuchte auch ein Schüler von Buddha und ein „Verehrer“ von Vivekananda, diese Meister zu vergiften… Aber generell kann es durchaus hilfreich sein, sich auch einmal die Schüler eines Meisters anzusehen, auch wenn sie nur einen winzigen Bruchteil des Bewusstseins des Meisters verkörpern.
Ein Meister ist ein völlig natürlicher Mensch, in der Regel humorvoll und immer einfach; er hat etwas von einem göttlichen Kind, aber ein Kind voll unergründlicher Weisheit. Und er kann, das ist das Entscheidende, mit der Seele eines Suchers in Kontakt kommen und diese innerlich anleiten. In der Folge lässt die Seele dann das Individuum spüren, wie es meditieren soll (jede Meditation ist ja ganz individuell und unterschiedet sich von der Meditation von jeder anderen Person). Wir werden einen authentischen Meister erst dann wirklich erkennen, wenn wir selbst Gott verwirklicht sind und keinen Moment davor. Aber wenn wir auch nur einen winzigen Einblick in sein Bewusstsein erhalten, wird unser ganzes Leben Gegenstand völliger Selbsthingabe zu seinen Füßen sein, selbst wenn er uns treten sollte, denn in ihm haben wir dann einen Schatz erkannt, den uns selbst die reichsten Menschen der Welt zusammengenommen nicht geben können. Ramakrishna pflegte zu sagen: Wenn Gott die Kuh ist, dann ist der Euter der Meister, wo wir die Milch bekommen.
Darüber hinaus verfügt ein echter Meister über die Fähigkeit, einen Jünger einzuweihen, das heißt, er kann in aller Stille einen spirituellen Samen in das innere Wesen eines Schülers pflanzen, der dann durch die spirituelle Disziplin, die der Schüler ausübt, zu wachsen beginnt und schließlich zu einem riesigen Baum der Erleuchtung heranwächst (sinnbildlich gesprochen).
Wenn man alleine aus der Unwissenheit kommen will, ist es als würde man danach trachten, sich mit den eigenen Händen an den Haaren aus dem Sumpf herauszuziehen. Der Meister hingegen steht auf dem festen Boden der Verwirklichung und kann daher die Schüler tatsächlich aus dem Sumpf der Unwissenheit befreien.
Es heißt auch, dass ein authentischer Meister viel Karma vom Schüler übernimmt. Die Meister nehmen das Leiden der Welt auf sich, um die Last, die der innerliche Sucher zu tragen hat, leichter zu machen. Daher wird ein echter Meister oft krank und hütet für Tage, ja für Wochen das Bett, wenn er einen Schüler angenommen hat.
Er verspricht nicht nur dem Sucher, sondern auch Gott, dass er nicht ruhen wird, bis der Jünger Gott verwirklich hat. Und wenn der Schüler später aus einer Laune heraus dem spirituellen Leben wieder den Rücken zuwendet, so muss der Meister einfach warten, bis wieder das Interesse im Sucher geweckt wird. Dann wird er sein inneres Versprechen, das er Gott und der Seele des Suchers gegeben hat, wieder weiter einlösen.
Eines scheint im christlich geprägten Abendland ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein: Die Wege bzw. spirituellen Pfade, die spirituelle Meister lehren, mögen sehr verschieden sein, aber das Ziel ist das Gleiche, ja, alle Flüsse münden schließlich in den unendlichen Ozean: Das höchste Bewusstsein/Gott/die Erleuchtung.
Einen hohen Meisten als seinen Lehrer zu haben, heißt, den größten Segen zu erhalten, den ein Mensch je erhalten kann. Jeder Avatar (das sind die allhöchsten Meister), der sich auf Erden befindet, verkörpert auch das Bewusstsein aller anderen Avatare, die vor ihm gekommen sind. Denn die großen Meister kommen alle vom gleichen „Ort“.
Wenn wir also Christus als das unendliche, göttliche Bewusstsein betrachten, dann können wir Sri Krishna, Buddha oder Ramakrishna, um nur einige zu nennen, nicht von Christus trennen. Gott nahm die Form an, die man Jesus nannte, er nahm die Form an, die man Krishna nannte usw.
Alle authentischen Meister zeichnet die direkte Erfahrung von Gott aus. Als etwa Vivekananda (der erste Yogi, der Ende des 19. Jahrhunderts in den Westen kam), seinen späteren Meister fragte, ob er Gott gesehen hat, antwortete ihm dieser: „Ja, ich sehe ihn die ganze Zeit, und auch viel deutlicher, als ich dich sehe!“…
Abedhananda, ein Jünger von Lahiri Mahasaya, also von der Yogananda-Linie der Meister, sagte einmal: „Manchmal bin ich in einem Zustand, da sehe ich nur Gott, Gott in allen Lebewesen. Alles ist vollkommen. In diesem Zustand kann ich nicht lehren, denn wer sollte wen lehren? Wenn ich dann in meinem Bewusstsein einige Stufen herunterkomme, sehe ich wieder die Fehler in den Schülern und kann sie lehren…“
Ein Meister muss völlig erleuchtet sein, aber er muss sich keinesfalls unbedingt im Körper befinden. Denn Gott oder das, was der Meister erkannt hat, ist nicht der Körper, sondern etwas Anderes! Und dieses Andere kann in völlig gleicher Weise weiterwirken, nachdem der Meister den Körper abgeschüttelt hat. Ein lebender Meister vermittelt natürlich auch dem äußeren Wesen des Menschen Inspiration.
Wie wählt man nun einen Meister aus, wenn man genügend Strebsamkeit hat, sich der Führung eines spirituellen Lehrers, der auch Guru (= derjenige, der Erleuchtung schenkt) genannt wird, anzuvertrauen? Die hohen Meister betonen alle, dass letztlich Gott, oder wenn man so will, der Meister den Schüler auswählt und nicht umgekehrt. Man erhält in der Regel den Meister, den man verdient oder benötigt. Ist man noch nicht sehr aufrichtig in der inneren Suche, mag es ein Swami, ein Yogalehrer ohne Erleuchtung sein, ist man intensiv und aufrichtig in der Suche, erhält man in der Regel einen erleuchteten Meister. Gott ist sehr wachsam und kann nicht getäuscht werden. Wenn unser innerer Schrei nach dem Höchsten ähnlich wie das Weinen eines Kindes ist, das mit seinen Puppen spielt und die Puppe weinen lässt, stellt die Mutter in der Küche nicht den Topf vom Herd und kommt gelaufen. Aber die Mutter kann gut unterscheiden, wenn das Kind sich weh getan hat und wirklich weint – dann ist sie gleich zur Stelle! Gott sieht sich also die Aufrichtigkeit an. Und diese entscheidet in unserem spirituellen Leben alles: Wen wir als Guru erhalten und wie schnell wir Fortschritt machen können!
Hat man großes Pech, landet man zuerst dennoch bei einem Lehrer, der noch nicht erleuchtet ist, oder wenn man so will, bei einem falschen Meister. Man kann über diesen nur bis zu jener Stufe gelangen, die dieser selbst schon erklommen hat, in der Regel kommt man aber nicht weiter. Dennoch betonen die meisten Gurus, dass es besser ist, bei einem falschen Guru zu lernen, als gar nicht. So macht man seine ersten Erfahrungen und wenn man im Herzen einen Funken Aufrichtigkeit hat, wird es nicht lange dauern, bis man auf den richtigen Weg geführt wird.
Resümee: Ein authentischer Meister ist nur notwendig, wenn man das letzte Ziel des Yogas verwirklichen will. Und selbst dieses kann man theoretisch alleine auch verfolgen, wenn auch das Ergebnis dieses Alleingangs mehr als unsicher ist und selbst wenn man wider Erwarten Erfolg haben sollte, wird sich dieser Erfolg erst nach sehr, sehr, sehr langer Zeit einstellen. Ein Meister hingegen, der die Fallstricke auf dem spirituellen Weg kennt und auch über übernatürliche Fähigkeiten verfügt, um dem Jünger zu helfen, wird letztlich von allen Meistern als notwendig betrachtet. Darüber hinaus hilft die Schülergemeinschaft eines Meisters dem Sucher in der Regel auch beträchtlich: Denn in der Gruppe lernt es sich leichter, man erhält zusätzliche äußere Inspiration und Hilfe von Gesinnungsgenossen. Und Jesus sagte einmal: „Da, wo sich zwei oder drei in meinem Namen versammeln, da bin ich auch.“ In der Gruppe herrscht mehr Intensität.
Abschließend möchte ich noch ein paar Worte über „den Meister“ aus meiner mehr persönlichen Sicht sagen:
Der Meister sagt seinen noch am wenigsten entwickelten Schülern: „Der Vater ist im Himmel.“ Sie beten zu ihm, wobei sie häufig ihre (zumindest subtilen) Wünsche bei Gott deponieren. Dennoch führt die Verbindung zu Gott zu einer Läuterung des Wesens des Suchers bis er bereit wird, Gott ein beträchtliches Stück näher zu kommen: Wenn der Sucher also schon fortgeschrittener ist, enthüllt Gott ihm: „Ich bin der Weg und ich bin das Ziel“. Gott ist also nicht nur der Vater im Himmel (im Transzendenten), sondern auch der Sohn auf Erden (im Materiellen, im Manifestierten); also im Meister. Denn der Vater und der Sohn sind eins. Es ist letztlich sehr schwer, mit Hingabe und großer innerer Strebsamkeit zu einem unsichtbaren, vagen Gott zu beten. Aber die Intensität und innere Strebsamkeit sind notwendig, um tiefere innere Erfahrungen zu machen und schließlich selbst in das Bewusstsein Gottes einzutreten. Im spirituellen Leben muss alles erfahren werden, nichts bleibt für immer auf rein theoretischen Füßen stehen, nichts bleibt für immer lediglich eine Glaubenssache. Und so bietet sich der Meister, der in seinen Trancen spielend in das Gottesbewusstsein gleiten kann, dem Schüler, als Vertreter Gottes hier unten an, um so Gott auf unserem Planeten wirken zu lassen. Dadurch wird der innere Weg für den Sucher unvergleichlich einfacher, denn er hat, wenn er die Gnade des Glaubens erfährt, nun etwas Konkretes vor sich. Und der Mensch ist nun einmal gewohnt, über seine äußeren Sinne zu leben. Er will die Dinge sehen können. Natürlich ist das Göttliche auch in ihm selbst und in allem gegenwärtig, aber im Meister hat es sich in einem höheren Ausmaß manifestiert, weshalb es für den Sucher inspirierender und viel einfacher ist, auf das Göttliche im Meister, also im Sohn des Vaters (im Himmel) zu konzentrieren. Der Vater ist das Transzendentale, Unmanifestierte, Unerklärbare, aber Erfahrbare Höchste. Der „Sohn“ ist ein Mensch, der sich zu jenem Bewusstsein durch strikte spirituelle Übung emporgeschwungen hat. So etwas geht natürlich nur über die grenzenlose Gnade Gottes, welche übrigens wiederum am einfachsten über die Intervention eines Meister herunterkommt. Interessanterweise verehren selbst die Buddhisten ihren Meister in Statuenform, obwohl auf ihrem Weg von Gott nicht die Rede ist; sie sprechen nur vom inneren Licht und vom Nirvana, also mehr oder weniger vom Eintauchen in die transzendentale Glückseligkeit.
Ist der Sucher schließlich weit fortgeschritten, erkennt er, dass „Der Vater und der Sohn eins geworden sind“, und nicht nur das, er erkennt auch, dass er selbst eins mit dem Vater ist. Wenn dies zu einer bleibenden, allesumfassenden Erfahrung wird, hat er die vollkommene Selbsterkenntnis, die Erleuchtung oder Gottverwirklichung – wie auch immer man das nennen mag, erfahren. Denn der Vater wohnt auf geheimnisvolle Weise im Herzen aller. Im Christentum nennt man das wohl den heiligen Geist. Aber alle drei: Vater, Sohn und der heilige Geist sind eins – die Dreifaltigkeit, die drei Seiten des gleichen Dreiecks, - der gleichen Wirklichkeit.
Wie man aus dem eben gesagten erkennen kann, ändert sich die Beziehung zwischen einem Jünger und seinem Meister aus der Sicht des Suchers ständig. Anfangs ist der Meister oft nur ein Lehrer, der einfach mehr über die Meditation weiß und von dem man praktische Ratschläge erhält, die einem auf dem inneren Weg helfen. Später erkennt man, dass der Meister viel, viel mehr verkörpert als dies ein gewöhnlicher Mensch bzw. Lehrer tun kann. Insbesondere während seiner Gottestrancen spürt man, dass er wie ein Botschafter von hier unten, diesem Planeten, hinauf zu Gott gehen kann und auch Botschaften von oben herunterbringen kann. Dann wird der Meister natürlich für den Sucher ein viel interessanteres Wesen als zu vor. Später noch kommt eine Zeit, in der man in der Gottestrance des Meisters zunehmend spüren wird, dass der Meister von Gott nicht mehr getrennt werden kann, dass er das Gottesbewusstsein hier auf Erden verkörpert, da er in seiner Meditation mit Gott völlig verschmilzt. Nun wird die Hingabe und Verehrung des Meister durch den Jünger noch einmal gewaltig gepusht und das hilft auch der inneren Entwicklung des Jüngers enorm.
Auf der nächsten Stufe wird man in seiner eigenen Meditation Zustände erfahren, in denen man den Meister bzw. das Göttliche in allem, auch in profanen Dingen, wie in einer Katze, in der Natur erkennen kann.
Abgeschlossen wird diese Entwicklung, wenn man schließlich erkennt, dass man selbst zu allem geworden ist, dass der Meister und das eigene Ich nicht voneinander getrennt werden kann, da es letztlich Hinter dem Schleier der Unwissenheit nur eine einzige Wirklichkeit des Seins und Bewusstseins geben kann: das eine, untrennbare Selbst, der heilige Geist, der allem innewohnt – oder, um einen Ausdruck zu gebrauchen, den ich nicht so sehr liebe: Gott. Wenn man dann schließlich selbst eins mit der höchsten Wirklichkeit geworden ist, fällt der Unterschied zum Meister weg und der Meister hat endgültig seine Rolle gespielt und erfüllt. Er ist nicht mehr notwendig.